Zu den diesjährigen Tagen der Demokratie und Toleranz hat sich das Zwickauer Hilfe Zentrum (ZHZ), das eine Informations- und
Dokumentationsstelle zu den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts aufbaut, mit fünf Veranstaltungen beteiligt.
1. Veranstaltung
PowerPointvortrag
"Zwickauer ´Feinde´ − Menschenrecht im Visier der SED und Stasi oder die
Wegbereiter der friedlichen Revolution"
14. April 2009, 18 Uhr
in der Aula der Außenstelle des Clara-Wieck-Gymnasiums
Platz der Deutschen Einheit
08056 Zwickau
(ursprünglich war die Veranstaltung im Landgericht geplant)
von Dr. Edmund Käbisch, Zwickau in Kooperation mit dem Zwickauer Hilfezentrum (ZHZ) und dem Clara-Wieck-Gymnasium (CWG)
In den 1980er Jahren entwickelte sich Zwickau zu einem Zentrum der Opposition und des Widerstandes. Vorwiegend Jugendliche begannen die
existierenden Verhältnisse zu kritisieren und wollten die Gesellschaft zum Besseren verändern. Sie kamen vorerst in kleinen Gruppen
unter dem Dach der Kirche zusammen, die dann später durch den Gedanken des Konziliaren Prozesses gebündelt wurden. Eine in dieser Zeit
häufig formulierte Forderung bestand darin, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auch in der DDR gelte und eingehalten werden
sollte.
Jedoch die SED-Machthaber haben diese Akteure als Feinde des Sozialismus angesehen, und die Stasi musste sie sofort konspirativ bearbeiten.
Sie sollten zersetzt und ausgeschaltet werden, was aber nicht gelang, so dass die Initialzündung der friedlichen Revolution 1989 von
diesen "Feinden" ausging. Sie können daher in gewisser Weise als Vorbilder christlichen Handelns und zivilen Ungehorsams gelten. Sie
sollen mit dem Vortrag bekannt und gewürdigt werden.
2. Veranstaltung
Die Schülerausstellung des Clara-Wieck-Gymnasiums Zwickau
"Sterilisation und Euthanasie während des Nationalsozialismus"
wurde nach Passau gebracht und im Foyer der Universitätsbibliothek feierlich eröffnet. Vom 16. April bis zum 14. Mai 2009 war
sie in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung dort zu sehen.
Die Evangelische Funk-Agentur (efa) Redaktion Ostbayern hat diesen Bericht erstellt.
Diese Ausstellung hat auch das Evangelische Bildungswerk mit ermöglicht.
3. Veranstaltung
"Soziales Mobbing"
20. April 2009, 19 Uhr
Westsächsische Hochschule Zwickau
Scheffelstr. 39
Mensagebäude, Hörsaal II
Zwei Vorträge
von Prof. Dr. Ute Rosenbaum, Zwickau und Dipl. Pädagogin Ingrid Ullmann, Wiesbaden
gemeinsame Veranstaltung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB), der Westsächsischen Hochschule Zwickau und
des Zwickauer-Hilfe-Zentrums (ZHZ)
Mobbing (engl. anpöbeln, angreifen, bedrängen, über jemand herfallen) ist ein modernes Phänomen, das
mit "Psychoterror" am Arbeitsplatz,
im Altersheim, an Schulen, in der Kirche, in Institutionen, in Vereinen, in Hausgemeinschaften oder in Gefängnissen umschrieben
werden kann.
Durch Mobbing werden Menschen verletzt, schikaniert und gequält. Das Ziel ist, Betroffene zu stigmatisieren und schlecht oder
unmöglich zu
machen. Es werden falsche Tatsachen verbreitet, um sie in eine soziale Isolation zu drängen. Redliche und unschuldige Menschen
werden zu
Opfern. Es geschehen Menschenrechtsverletzungen. Gezieltes Mobbing führt zu psychischen und organischen Schädigungen und
kann sogar im Selbstmord enden.
An diesem Abend werden zwei Sachvorträge gehalten, die die Zuhörer über die Ursachen und Folgen des Mobbing informieren. Dabei werden
auch mögliche Strategien der Prävention und Intervention aufgezeigt. Danach besteht die Möglichkeit zu
Fragestellungen und zur Diskussion.
Es wird bestimmt deutlich werden, dass sich auch konkretes Mobbing in Zwickau abspielt. Die Besucher sollen mit Anregungen und
Hilfsangeboten diese Veranstaltung verlassen können.
4. und 5. Veranstaltung
PowerPointvortrag
"Mein Pfarreralltag in der DDR"
Zeitzeugenberichte an zwei Gymnasien:
22. April 2009, 12 Uhr
Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium
Dr. Köhler-Platz 2
08289 Schneeberg
und
23. April 2009, 10.30 Uhr
Gymnasium "Am Sandberg"
Albert-Schweitzer-Ring 77
08112 Wilkau-Haßlau
von Dr. Edmund Käbisch, Zwickau in Kooperation mit dem Zwickauer-Hilfe-Zentrum (ZHZ)
Dr. Käbisch war seit 1981 Pfarrer am Zwickauer Dom. Er öffnete die Kirchentür für Menschen, die nach dem DDR-Jargon "Problembürger"
waren. Keiner wollte sie in der Gesellschaft haben. Es waren Menschen, die zwar mit den gesellschaftlichen Verhältnissen unzufrieden
waren, die aber die bestehenden Missstände ändern wollten. Gewöhnlich waren es Jugendliche, die sich mit den Fragen der Umwelt, des
Friedens und der Gerechtigkeit auseinander setzten. Sie durften sich in der Zwickauer Domgemeinde versammeln und es entstanden Basisgruppen.
Diese erhielten damit ein juristisches Dach. Diese Basisgruppen wurden im Jahr 1988 in den Konziliaren Prozess zusammengeführt und gebündelt.
Auch die Menschen, die den Antrag auf Übersiedlung nach der Bundesrepublik gestellt hatten, konnten sich zu den sonntäglichen
Abendgottesdiensten im Dom treffen.
Diese Arbeit und der Umgang mit solchen Menschen waren für Dr. Käbisch die Chance zu einer "situativ-missionarischen Verkündigung".
Damit hat er sich nicht mehr an die staatlichen Vorgaben gehalten, dass sich die Kirche nur um "religiös-kultische Angelegenheiten" zu
kümmern habe. Er war sowohl einem staatlichen als auch innerkirchlichen Druck ausgesetzt. In diesem Spannungsfeld entwickelte sich Ende
der 1980er Jahre Zwickau zu einem Zentrum der Opposition und des Widerstandes in Westsachsen.
Jedoch die Stasi musste sofort im Auftrag der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) diese Bürger, Gruppen und Dr. Käbisch
bekämpfen. Sie galten als "Feinde". Die Stasi hat Operative Vorgänge (OV) eingeleitet, um diese Menschen planmäßig und systematisch
geheimdienstlich (konspirativ) bearbeiten zu können. Sie sollten kontrolliert und ausgeschaltet (liquidiert) werden. Alle geheimdienstlichen
Mittel und Methoden kamen zur Anwendung. So wurden auch Inoffizielle Mitarbeiter (IM) eingeschleust, die sich Vertrauen erschlichen und
systematisch Verrat übten. Die Stasibearbeitung von Dr. Käbisch lief unter dem OV "Kontrahent". Auch seine Intimsphäre wurde von der Stasi
instrumentalisiert. Bisher konnten 65 IM, die über ihn berichtet hatten, von der BStU (Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen) mit
Klarnamen identifiziert werden.
Dr. Käbisch bemühte sich auch, diese Bürger in die evangelische Kirche zu integrieren und aufzunehmen. Jedoch eine innerkirchliche
Gegenströmung breitete sich aus, weil die Arbeit mit solchen Menschen das angeblich "gute Staat-Kirchen-Verhältnis" störe. Diesen
Konflikt benutzte die Stasi und legte auf den Kirchenvorstand des Domes den OV "Kammer" an. Diese Stasibearbeitung hatte das Ziel,
die Arbeit von Dr. Käbisch mit den Problembürgern zu unterbinden, ihn von Zwickau fortzubringen und ihn zu zersetzen. Es wurden die
eigenen kirchlichen Leute mit psychologischen und pädagogischen Methoden beeinflusst, so dass sich dann einige wie IM verhielten und auch
im Sinne des Staates handelten. Es wurde extra das "Zwickauer Modell" entwickelt, damit SED und Stasi besser gegen die Basisgruppen vorgehen
konnte. Vor dem Beginn der friedlichen Revolution hat dann der Superintendent dem Dr. Käbisch die Haltung des Kirchenvorstandes mitteilen
müssen, dass er als Unruhestifter und Störenfried Zwickau zu verlassen habe.
Von den Differenzierungs- und Zersetzungsmaßnahmen der Stasi, die auf Langzeitwirkung ausgerichtet waren und sich dadurch bis heute noch
im Rechtsstaat auswirken, wird Dr. Käbisch als Zeitzeuge berichten. Im Jahr 1992 wurde ihm ein Forschungsantrag der BStU genehmigt und
seitdem erforscht er das DDR Staat-Kirche-Verhältnis.